Chinablog

Der Tag beginnt mit einem Regenschauer. Ich wachte gegen 4 Uhr das erste mal auf und schaue aus dem Fenster. Es regnete. Mein erster Gedanke war „Yes, no training!“. Das war wirklich mein Gedanke. Ich erwische mich nämlich schon immer wie ich in Englisch denke. Ganz zu schweigen vom zählen. Ich bin wohl schon zu lange von der deutschen Heimat entfernt. Jedenfalls legte ich mich noch gut 1 ½ Stunden ins Bett und es geschah das, was kommen musste. Pünktlich zum Trainingsbeginn hörte es auf zu regnen. Ich hoffte dennoch auf ein paar Stunden mehr schlaf, da die Straßen immerhin patsch nass waren. Aber alle Hoffnung war vergeblich. Es hieß wieder RUNNING. Nach dem wir ein paar Runden den Pfützen ausgewichen sind, gingen wir wie immer zunächst die Stellungen durch und dehnten uns ein ganz bisschen. Wir fuhren fort mit Basics. Fauststöße, Handflächenschläge, Ma-Bu / Gum-Bu mit Stellungswechsel und dann die Form. Nach der Ma-Bu / Gum-Bu-Übung war aber keine Power mehr in den Beinen, so dass die Form wahrscheinlich beschissen aussah. Unser Shifu schrie die Kinder wieder gut an, weil Sie nicht  so „gut“ wie die von dem Boygroup-Shifu waren. Allerdings hatte der auch nicht so viele Kleinkinder in der Gruppe. Der Altersschnitt war sichtbar höher. Trotzdem bekommen es einige der Kinder immer noch nicht auf die Reihe die Techniken sauber auszuführen. Statt sich einmal zusammen zu reißen und so der Prügelstrafe zu entgehen wird immer wieder geschlabbert. Kein Wunder das unser Shifu dabei immer so ausrastet. Wir Ausländer durften dann mit dem Stick weiterüben. Zwischendurch fing es wieder an zu regnen und meine Klamotten waren ruck zuck durchnässt. Mit schweren Beinen gingen wir die Form durch, die wahrscheinlich so schlecht wie noch nie war. Unser Shifu sagte nur „Bu Hao“ zu uns. Ich habe vorher immer „Buchhao“ geschrieben. Das ist übrigens falsch. Denn es heißt „Bu Hao“. Denn „Bu“ bedeutet „Nein“ oder „Nicht“ und „Hao“ heißt „Gut“. Also „nicht gut“. Eigentlich logisch. Wusste ich sogar vorher schon, aber hab es irgendwie immer verdrängt. Jedenfalls Übten wir unsere Stockform im Regen und dann war irgendwann auch Ende. Beim Abgrüßen des Morgentrainings meinte unser Shifu zu uns, dass er uns die Säbelform (Max) bzw. die Schwertform (ich) erst  beibringen will, wenn die Kinder in 4 Tagen nach Hause fahren. Das passte mir nicht und das merkte mein Shifu wohl. Denn nach dem Frühstück kam er auf mein Zimmer und wollte es mir erklären warum. Es ist  nämlich so, dass die Kinder ja am Sonntag die Schule verlassen. Nur sehr wenige Kinder bleiben noch für ein Jahr. Und an diesem Tag findet deswegen auch die große Show statt, bei der alle Eltern dabei sehen werden und zusehen. Wir müssen daher Glanzleistungen zeigen, damit wir die Eltern überzeugen können, dass Ihre Kinder hier durchaus richtiges Kung Fu lernen können. In den paar Wochen Sommerferien ist das nämlich nicht möglich. Das war mir schon klar, aber ich versteh meinem Shifu ja auch, denn unsere Stockformen sind echt noch nicht das Gelbe vom Ei. Zudem steht sein Shifu-Ruf auf dem Spiel. Problem ist nur, dass mir somit nur noch 2 Wochen für die ganze Schwertform bleiben. Das ist verdammt knapp bemessen und ärgert mich ein wenig. 3 Wochen wären zwar auch nicht viel länger, aber immerhin besser als 2 Wochen. Beim Frühstück erzählten wir an unserem Tisch von dem Gespräch mit Yuan, wo wir zu spät zum Taxi kamen und Christopher dann zu ihm meinte, ob er denn während der Fahrt zurück in eine Plastiktüte machen sollte, anstatt zur Toilette zu gehen. Irgendwie mag keiner Yuen leiden. Besonders Christopher nicht. So hat Christopher ihn am Tisch ein Arschloch genannt und gesagt, dass er ihn am liebsten den Fraß, der auf den Tischen serviert wird, ins Gesicht werfen möchte. Als wir vom Tisch aufstanden, sah ich, dass Yuen die ganze Zeit am Tisch hinter uns saß und aß. Ui ui ui. Hoffen wir mal, dass er das nicht mitbekommen hat. Denn Yuen spricht fließend Englisch. Weiter ging es dann mit dem Vormittagstraining. Nur mit Stick bewaffnet (anstatt Schwert) gingen wir zur Trainingshalle. Während der Pause regnete es übrigens wieder, aber es hörte wie immer pünktlich auf wenn das Training begann. Gerade in der Halle angekommen fing es wieder an zu schütten. Christopher rollte nur die Augen. Da der Tai Chi-Shifu Bauchschmerzen hat und nicht unterrichten kann, kam Harry (aus der Tai Chi-Gruppe) zu uns in die Gruppe und durfte mit Kung Fu machen. Unserem Shifu gefiel das und er zeigte Harry die ganzen Moves, die wir auch machen müssen. Wir begannen mit den Kicks und übten unsere Faustform. Zum Schluss der ersten Einheit dehnten wir uns nochmal gründlich und unser Shifu war uns dabei behilflich, indem er uns runter drückte oder dergleichen. Die Pause  bestand ebenfalls aus Dehnen. Max, Christopher, Harry, Christian und ich dehnten uns gegenseitig indem einer ein Bein festhielt und ein anderer das andere Bein soweit hoch- oder runter drückt, bis man vor Schmerzen schreit. Das Ganze nennt man dann Powerstretching. Wenn man es übertreibt, kann man daraus auch „Split in 1 Day“ machen. Nicht zu empfehlen. Während wir Harry (aus Amerika übrigens) dehnten und er somit Hilflos am Boden lag, kam da seltsame Psychokind wieder angekrochen und beugte seinen Kopf ständig über Harrys, der schon schlimme Befürchtungen hatte. Irgendwann war es dann so weit und das Psychokind verpasste Harry einen Schmatzer auf die Stirn. Seine Reaktion: Ähhhh Ihhhhh. Nach der Pause machten wir mit der Stockform weiter. Die ersten male waren noch OK, aber dann waren meine Hände so schwitzig, dass mir ständig der Stock entglitt. Gefährlich wurde es, als ich bei der Form beinahe der Stick aus den Händen geflutscht wär und eventuell jemanden in der Halle getroffen hätte. Ich machte von da an langsamer, aber es wurde auch nicht besser. Wir dehnten uns auf Harrys wusch wieder ein wenig und ich machte zum Schluss noch ein paar Push-Ups, bevor das Training beendet war. Wir gingen wieder hoch und grüßten ab. Max wollte noch auf Yuen warten um mit ihm abzuklären, ob er nicht mit Fabian (der Deutsche mit der Palme auf dem Kopf) auf ein Zimmer ziehen kann. Max sagte noch unseren Shifu vorher Bescheid, dass er auf Yuen wartet. Ich sagte dann auf dem Weg ins Gebäude zu unserem Shifu „Woman“ zu Max und er fing nur an zu lachen und verstand, dass er auf die Französin wartet, mit der er immer flirtet. Naja war mir auch recht. War jedenfalls wieder witzig. Dann schrieb ich wieder ein paar Postkarten fertig und aß ein Brot. Es stellte sich heraus, dass all unser verbliebendes Brot am Schimmeln war. Na lecker. Hatte ich doch tatsächlich verschimmeltes Brot gegessen ohne es zu merken. Den Rest schmiss ich aber weg und schrieb lieber meine Postkarten weiter. Dann war Mittagessen und ratet mal wer neu an unserem Tisch sitzt? Die Französin. Ein Blick genügte und Max verstand, was ich sagen wollte. Haha. So ist das also. Wenn das unser Shifu erfährt! Er würde sicher folgendes sagen: „Max bu hao!“

Nach dem Essen schrieb ich meine Postkarten weiter und vernahm ein Klopfen an der Tür. Da keiner Antwortete, beschlossen wir nicht aufzumachen. Wenig später hörte ich chin. Kinderstimmen auf dem Gang. Unsere Vermutung war also richtig. Gut das wie die Tür zu gelassen haben. Jetzt können wir vielleicht endlich wieder in Ruhe schlafen anstatt mit den Kindern zu spielen. Ich fing meinen Tagesbericht an und legte mich aufs Ohr. Tatsächlich konnte ich schlafen. Bis kurz vor Trainingsbeginn lag ich im Bett. Dann packte mich der Hunger und ich war genötigt meine letzten chinesischen Chips zu essen, da ich das Schimmelbrot ja weggeschmissen hatte. Sonst hatte ich auch nichts Essbares mehr. Dann gingen wir mit der Tai Chi-Gruppe und den Kindern zum Training. Der Tai Chi-Shifu liegt nämlich immer noch flach. Wie ich dann von Harry erfahren habe, steht heute Nachmittag ein Probelauf an, bei denen auch die Shifus zeigen was sie so können. An der Halle angekommen sah es dann tatsächlich danach aus, denn man schleppte große Boxen und ein Mikro heran. Wir setzten uns hin und Christopher eilte zurück zum Zimmer um unsere Kameras zu holen, die wir blöderweise auf dem Zimmer gelassen haben, weil wir dachten es steht normales Training an. Bevor es losging kam Christopher schwer atmend wieder. Er hat sich tatsächlich beeilt und war sogar verschwitzt, da er gerannt ist. Dann ging es los. Die Kinder begannen mit ein der Lehrerinnen eine Schulaufführung vorzuführen, in der es darum ging, zu zeigen wie toll man hier Englisch lernt. Das ganze erinnerte mich stark an meine Schulzeit. Die Kinder sangen englische Lieder, tanzten herum und machten einfache Rollenspiele (auf Englisch natürlich). War ganz witzig anzusehen wie die Kleinen da ihre Vorführung machten. Vor allem als Jin Da Bao dazu kam und freudig in die Hände klatschte. Das Programm ging weiter, indem Yuens Gruppe mit einigen der Shifus ein paar Kunststückchen machten. Die Ausländer waren im Vergleich zu den Shifus echt schlecht. Die Shifus machten irgendwelche spektakulären Flips, Salti und Schrauben und dann kam ein Ausländer dran, der irgendwelche hässlichen Räder schlug. Sah irgendwie seltsam aus. Die Shifus führen anschließend alle ein paar Formen vor (teilweise mehr oder weniger synchron). Auch unser Shifu war dabei. Das ganze war aber eher relaxt und man sah, dass sich die Shifus nicht verausgaben wollten. Das kommt dann wohl erst bei der Primäre am Sonntag. Trotzdem war das cool anzusehen und ich habe reichlich Videos gemacht. Dann ging es los und unsere Gruppe musste auf einmal unsere Formen vorführen. Völlig  überrascht hatten wir noch kurz Zeit um uns draußen vorzubereiten und dann ging es nach ca. 3 Minuten los. Wir fingen an uns aufzustellen. Dann ging es mit der Shao-Form los, die wir mit den Kindern in einer Dreierreihe liefen. Ganz schön eng, aber es ging noch. Dann waren wir drei an der Reihe mit der Stockform. Eine Zweierreihe wurde angegeben. Max wollte Platz für sich alleine, der alte Ego. Ich stand mit Christopher in der vordereren Reihe und dann ging es los. Der Anfang lieg gut, aber dann ging es los mit dem Platzmangel. Zunächst musste ich aufpassen, dass ich die Kinder, die am Rand standen nicht eins mit dem Stock überbrate und dann stand mit Christopher mitten in der Form in den Weg, weil er nicht mehr weiter wusste. Ärgerlich… aber was soll’s. Mein Flow war unterbrochen und so schlichen sich zwei kleine Fehler ein, die mir zwar schnell auffielen, aber das Gesamtbild zunichtemachten. Im Anschluss waren die Kinder dran. Unser Shifu war danach ziemlich sauer (auf die Kinder)… so wie immer eigentlich. Dann waren noch ein paar andere Kindergruppen dran, die aber definitiv nicht besser waren. Deren Shifus rasteten aber nicht so aus. Dann war die Show auch beendet und unser Shifu bestrafte wieder die Kinder (als einziger Shifu), indem Sie in der Liegestützposition verharren durften, während die Shifus ihr Abschlussgespräch führten. Während der ganzen Aktion gab es auch eine Pause und ich schaffte mehrmals in den Handstand zu drücken. War zwar etwas gefakt aber es sah trotzdem nicht schlecht auf. Bin jetzt ein bisschen stolz auf mich. Mit 20 Minuten Verspätung kamen wir in der Schule an. Essen wäre normal schon begonnen, aber da eh keiner da gewesen wär, passte dann doch alles. Ich duschte mich schnell ab und ging runter zum Essen. Ich traute meinen Augen nicht: REIS. Was für eine Frechheit. Reis gibt es doch schon zum Mittag immer. Ich kann ihn nicht mehr sehen. 1x am Tag Reis ist echt genug. Ich nahm mir wütend eine Schüssel und ging auf mein Zimmer um den Ketchup zu holen. Als ich halb fertig war mit dem Reis, servierten Sie dann doch noch die Brötchen. Weiß gar nicht warum ich mich immer so sehr auf die Brötchen freu. Viel besser als der Reis sind sie nämlich nicht. Aber mit Schokolade kann man es gut ertragen. Beim Reis hilft aber nicht einmal mehr der Ketchup. 10 Minuten Pause verblieben nach dem Essen noch. Trotz Verspätung durch die Shifus wurde das Training aber wie gewohnt nicht verschoben. Also wieder runter vor die Schule und dann war laufen angesagt. Christopher und ich liefen wie üblich unsere 5 Runden. Max begnügte sich mit 2. Das ist doch kein Training… 🙁

Schwer atmend kam ich an den Tischtennisplatten an und dehnte mich. Max war wieder im Gespräch mit irgendwem. Ich griff mir dann irgendwann mein Schwert und übte ein bisschen die Basics. Max kam auch irgendwann dazu und wir übten gemeinsam. Mein Shifu kam später noch zu mir und sagte, dass die Schwertform nicht „beautiful“ sein wird innerhalb von 2 Wochen. Ich sollte doch ne Woche länger bleiben. Würde ja gerne, aber das ist leider nur schwer möglich. Vor allem jetzt, da der Flug umgebucht wurde. Wenn ich Pech habe lerne ich sogar nicht einmal die ganze Form. Das werde ich aber zu verhindern wissen. Halbe Sachen gehen mal gar nicht. Ich werde die Form dann halt zu Hause üben müssen. Beim Abgrüßen fragte unser Shifu, ob wir müde sind. Max meinte nur „Nein“. Kein Wunder, wenn man auch nicht richtig mitläuft. Christopher und ich waren ziemlich sauer auf ihn, da das nicht das erste Mal ist das er sowas sagt. Immer nur Pause machen und die anderen trainieren lassen und dazu behaupten das Training sei bei anderen Shifus härter. Ich versteht das nicht, wirklich. Während ich wieder mal duschte, klopfte es an der Tür. Christopher hörte aber nix, weil er einen Film schaute (mit Kopfhörer). Ich vermutete Peter (aus Kanada), da ich ihn auf unser Zimmer eingeladen hatte um ihn die Videos von der Performance zu geben. Da keiner die Tür aufmachen konnte und wir auch nicht wussten wer es wirklich war. Hoffte ich auf ein weiteres Mal Klopfen. Tatsächlich klopfte es ein weiteres Mal als ich fertig war und es war tatsächlich Peter gewesen. Er reist morgen Nachmittag ab. Wir gaben ihn die Videos auf seinen USB-Stick und er fragte uns nach unseren Email-Adressen. Wir tauschten Sie aus und dann konnte ich endlich meinen Bericht zu Ende schreiben. Zudem schaute ich mir noch einige Videos von der Performance heute an. Unsere Stockform war gar nicht so schlecht wie ich dachte. Geht natürlich noch schöner, aber auch bei weitem schlimmer. Auch die Kinder waren nicht so schlecht wie unser Shifu vielleicht dachte. Viel Ärger um nichts also.

Schlafenszeit…