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Chinablog

- Meine Reise nach China -

Mittwoch, 09.06.2010

Die Glocke klingelte und ich stand auf, zog mich um (Trainingskleidung) und dann ging es schon runter in die Halle. Zunächst sollten wir (also meine Gruppe, bestehend aus einen Iraner, einen Franzosen und mir) ein wenig Dehnen. Also locker ein paar Dehnübungen absolviert und dann ging es im Lauftempo vier Runden um den Block. Ich schätze das waren gut 2 Km. Dann nochmal Dehnen (diesmal intensiver) und dann hieß es Grundtechniken. Ich lernte meine erste Stellung (Flat-Stance = Gum-Bu) und den einfachen Fauststoß, sowie einen Handflächenschlag. Der Stand war das schwierigste, da er sehr tief war. Ich bekam Bauchschmerzen und meine Füße taten mir weh (ich hatte meine Laufschuhe an). Mein Shifu wollte mich schon auf mein Zimmer schicken, doch ich meinte, es sei alles OK. Dann nach einer guten Stunde hieß es endlich Pause. Dann gab es Frühstück (alles wie bekannt nur das es diesmal noch zusätzlich Reis gab). Mein Heimweh ist schon besser geworden, doch vermisse ich einige Leute doch sehr…

Das Vormittagstraining fand in der naheliegenden Trainingshalle statt. 3 Stunden am Stück. Erst wieder warm laufen (knapp 10 Minuten lang), dann dehnen und dann haben wir Tritte geübt. Wobei die Tritte eher Beinschwünge sind (ähnlich den Apcha-Oligi aus dem Taekwondo). Dann zwischendurch ein paar Handtechniken (Fauststoß, Handflächenschlag). Das ganze wird unendlich oft wiederholt, bis man am Ende ist. Dann gab es nach 1 ½ Stunden eine viertel Stunde Pause. Ich habe schon gut geschwitzt und drohte nun auszukühlen, da durch die Haller ein kühler Hauch wehte. Dann ging  es weiter. Wegen meinen Bauchschmerzen hatte ich zuvor eine Tablette genommen und waren nun auch schon fast weg. Nach der Pause wie gehabt erstmal warm laufen und dehnen und dann ging es mit Ma-Bu (Reiterstellung, auch seeeehr tief) und Gum-Bu (lange, tiefe Stellung). Dazu kam dann der Stellungswechsel zwischen den beiden. Das ging ganz schön auf die Oberschenkelmuskulatur. Dann gingen mein französischer Trainingspartner, mein Shifu und ich in den Hof der Halle. Der Ort wirkte wie in Kung-Fu-Filmen; sehr cool. Mein erster Eindruck vom Training war bisher eigentlich nur, dass es intensiver sein könnte. Aber ich wusste auch, dass heute mein erster Tag war und ich, im Gegensatz zu den anderen Ausländern, noch voller Energie steckte. Die Anstrengung kam mit der Dauer des Trainings, denn es schien scheinbar nicht aufhören zu wollen. Die Wiederholungszahlen hier sind echt 5 bis 6x höher als ich es gewohnt bin. Das laugt gut aus. Das Wort was ich heute am häufigsten gehört habe, war „Relax“… und zwar von meinen Shifu, immer dann, wenn ich zu verkrampft wirkte bei den Techniken oder nach einer längeren Übung zum entspannen. Die Shifus hier sind alle noch sehr jung. Keiner hier ist älter als 23. Der jüngste um die 16. Die Chinesenkinder, die hier ebenfalls Kung Fu trainieren sind aber noch jünger. Die fangen hier schon mit 4 Jahren an zu trainieren. Und zwar wie die großen! Es wird keine Rücksicht auf das junge Alter genommen. Sie werden genauso gedrillt, wie die anderen Chinesen. Wenn Sie etwas nicht können, gibt es nicht selten Schläge. Sie MÜSSEN es können. Die kleinen Chinesen sind mit Ihren paar Jahren schon unglaublich gut. Hier gibt es einen kleinen 5-jährigen Jungen, der Überschläge und Sprünge macht wie ein Profiturner. Ich bin morgen auf meinen Muskelkater gespannt… im Moment bin ich einfach nur müde. Dabei stehen für heute noch 3-4 Stunden Training an… Oh je…

Mein Zimmernachbar scheint etwas unordentlich zu sein. Aber mich stört es nicht wirklich, nur etwas mehr Platz hier wär nicht schlecht. Ach ja: Manchmal gibt es einfach kein Wasser aus der Leitung. Und das Stromnetz ist auch instabil, weswegen ich keinen Wasserkocher anschließen soll. Sofern der Computer Internetzugang hat und sowas, kann ich mir vorstellen tatsächlich einen Monat (erstmal) hierzubleiben. Aber ob ich länger bleibe, steht noch in den Sternen. Mein Shifu will beim nächsten Meeting 20 Yuan für das Taxi zur Stadt gestern. Jetzt gibt es erst mal Mittagessen. Ich weiß schon was es gibt: Das gleiche wie immer. Nach dem Mittagessen kam ein Shifu auf mein Zimmer und meinte, dass ich gleich mit in die Stadt fahren soll, um Geld abzuheben und so die Schule bezahlen zu können. 10 Minuten später war ich in der Halle und bin mit 2 Chinesen (Fahrer?) und einem Shifu losgefahren. Am Bankautomaten angelangt habe ich 2000 Yuan (ca. 200 Euro) abgehoben. Kurz darauf kam der Shifu rein und erkundigte sich ob es klappte. Ich überreichte Ihn die restlichen 1100 Yuan und wir waren erst einmal Quitt. Müde vom Training schmiss ich mich so wie ich war ins Bett und schlief fast zwei Stunden lang. Ich war erstaunt, dass ich doch so müde war. Dann war es wieder Zeit für das Training. In der Halle erfuhr ich nach langem hin und her, dass das lokale Fernsehen heute kommen wollte. Unsere Shifus ordneten an, dass alle ihre rote „Schuluniform“  (also die Trainingskleidung) und dazu saubere Schuhe anziehen sollten. Dazu sollten wir auch unsere Zimmer aufräumen. Da keiner wusste wann genau das Kamerateam eintreffen würde, waren die Shifus etwas angespannt. Schließlich ging es um die Repräsentation der Schule. Also hoch aufs Zimmer und etwas aufgeräumt und wieder runter. Dann war das Fernsehteam auch schon da. Wir sollten uns dann in 2 Reihen aufstellen. Dann auf einmal doch 3 Reihen. Und dann waren es ganz viele Reihen bzw. ein geordneter Haufen. Im Nachhinein standen wir dann alle gleichmäßig auf den Platz verteilt. Wir sollten dann auf Kommando in den Ma-Bu wechsel und dazu ein paar Fauststöße machen. Dann ging es mit dem Kamerateam zur Trainingshalle. Diesmal etwas geordneter als sonst. Wir sollten nämlich in 2er Reihen gehen, was aber nicht so gut klappte. Militär lässt grüßen… fehlte nur noch, dass wir marschieren sollten. Angekommen, ging das Show-Team der Schule, das aus mehreren 14 bis 20 Jährigen Chinesen bestand, in die Halle. Von jetzt an wusste ich auch, dass die heute neu angekommenen Chinesen zum Show-Team gehörten. Die Schule hat nämlich zwei Teams, wie ich erfahren habe. Ein Show-Team, dass rumreist und Shows aufführt und so; sowie ein Wettkampfteam, das möglichst gute Platzierungen bei Wettbewerben aller Art holen soll. Diese Reisen ebenso viel rum und trainieren irgendwo anders wie es scheint, denn ich hab Sie noch nicht gesehen. Die Kameraleute filmten eine Vorführung des Show-Teams (der kleine 5 jährige Junge war auch dabei) und der Rest musste draußen bleiben und von dort aus zuschauen. Ich muss sagen, ich war beeindruckt. Später kamen dann auch einige Ausländer an die Reihe und durften ein paar Mal auf einen Boxsack schlagen oder eine einfache Form vorführen. Der 5 jährige konnte unter anderem einen Spagat im Stand, in dem er sein Bein hochzieht und über dem Kopf festhält, Backhandsprings (auch Flick Flack genannt), Kopfstandüberschläge, Kip-Ups (aufspringen aus der Rückenlage), Radschlag ohne Hände (Aerial) und vieles mehr. Zudem konnte er mit seinen kurzen Beinen locker beim Dauerlauf (ca. 5 Km den Berg rauf und runter) mit den Ausländern mithalten. Einfach nur krass. Aber ich muss dazu sagen, dass die Chinesen das auch regelrecht rein geprügelt bekommen. Wenn sie etwas nicht schaffen oder nicht mehr können, werden Sie so lange dazu gezwungen, bis Sie es (halbwegs) hinbekommen. Aufgeben gibt es bei denen nicht. Ich habe mitbekommen, wie ein etwas älterer Junge (ca. 8 Jahre) unter großen Geschrei und Tränen in den Spagat gedrückt wurde und anschließend nur noch gerade so laufen konnte. Ziemlich grausam. Aber nachdem Training sind alle wieder guter  Dinge und die Kleinen nehmen es Ihren Shifus auch nicht übel. Sie spielen wieder, als ob nichts gewesen wäre. Aber im Prinzip wollen die Shifus ja auch nur das Beste für Sie, denn mit einer solchen Kung Fu-Ausbildung haben Sie später einen guten Job sicher und damit eine gesicherte Zukunft. Ich habe von anderen Ausländern erfahren, dass ein vorheriger Shifu, der jetzt gerade in der Schweiz rumreist und auf Shows auftritt (Ocean-Shifu genannt) die Kleinen echt quer durch die ganze Halle getreten hat und das das Training hier jetzt für Sie wie Schokolade essen ist. Außerdem habe ich erfahren, dass soweit ich weiß fast alle Shifus hier Verletzungen haben, die Sie dran hindert, auf Shows oder Wettkämpfen zu starten. Das kommt davon, wenn man so geschunden wird. Mein Shifu hat z.B. ein zertrümmertes Sprunggelenk, das nicht richtig verheilt ist. Er macht trotzdem beeindruckende Sachen. Nach der Show gab es erst einmal Pause für alle. Und das bestimmt ne gute Stunde lang. Wir blieben jedoch dabei in der Halle. Ich machte Handstände, Schlug Räder, probierte den Kip-Up aus und wurde dabei sogar von meinen Shifu gelobt („Goooood“). Ich für meine Flexibilität bekam ich Zuspruch. Dann wurde doch noch trainiert. Warm laufen, dehnen (hier wird echt viel Wert auf dehnen gelegt) und dann Stellungen. So langsam wurde ich müder. Dann war aber auch schon Schluss. Ich habe mich noch mit einer Chinesin (um die 45), die Trainiert, unterhalten und dann gingen wir gemeinsam zurück. Im Anschluss gab es Abendessen. Zu meiner Überraschung gab es eine neue, ekelige Suppe (Eiersuppe mit Tomaten) sowie zwei neue Teller mit Gemüse und Fleisch für jeden Tisch. Dabei fällt mir gerade ein: Die Leute bauen hier tatsächlich alle selber Reis an. Der liegt nämlich überall auf den Straßen zum trocknen. Nach dem Essen war Meeting. Also kurz runter, einmal Grüßen und dann gab es nen Fotoshooting im DVD-Raum (Computerzimmer). Es wurden von allen neuen Schülern Fotos gemacht und man musste sein Profil in einem Laptop eingeben. Zu den Chinesen muss ich an dieser Stelle mal was los werden. Sie sind alle nett bis höflich, können aber auch sehr streng sein. Vor allem wenn es ums Training geht. Ein seltsamer Mix. Während des Trainings sind es andere Persönlichkeiten. Nach dem Foto machen habe ich erst einmal geduscht. Dann gab es noch ein Meeting. Das letzte für heute. Im Anschluss habe ich den Schul-PC ausprobiert. Das Internet klappt tatsächlich, ist aber verdammt langsam (ca. 15 kbit/s). Manchmal setzt es auch einfach kurz aus. Danach konnte ich einfach nur noch ins Bett fallen.


Info:
Mittwoch, 09.06.2010
Erstellt:
9. Juni 2010
Kategorien:
China
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